Karl-Ludwig Nies (*1952 in Malsch/Baden) studierte an der Staatlichen Hochschule für Musik in Karlsruhe Schul- und Kirchenmusik, dazu Musikwissenschaft (Universität Heidelberg). Zu seinen prägenden Lehrern zählen Andreas Schröder und Hans Joachim Haarbeck (Karlsruhe), Räto Tschupp (Zürich) und Olivier Messiaen (Paris). Weitere Vorbilder, mit denen er persönlich in Kontakt stand, waren für ihn Konrad Ruhland, Nikolaus Harnoncourt, Wolfgang Kelber und Godehard Joppich.
Schon während seines Studiums und darüber hinaus wirkte Nies von 1975 bis 1983 als Kirchenmusiker in Rastatt an der neu erbauten Zwölf-Apostel-Kirche (Gründung einer Kantorei und eines Kinderchors, Konzipierung der neuen Orgel) sowie an der Schlosskirche Hl. Kreuz (Gründung der Capella Crucis Rastatt). Außerdem leitete er den Knabenchor des Erzbischöflichen Studienheims St. Bernhard. Ab 1980 war er zugleich Bezirkskantor des Erzbistums Freiburg für Rastatt und Baden-Baden.
1981 gründete er die SCHOLA CANTORUM REICHENAU, ein Ensemble für Gregorianischen Choral, das bis 2006 auf der Klosterinsel Reichenau/Bodensee wirkte: Die SCHOLA AUGIENSIS MÜNCHEN steht heute in deren direkter Nachfolge.
1983 wechselte Karl-Ludwig Nies nach Heidelberg, wo er Bezirkskantor und Kirchenmusiker an der Jesuitenkirche (kath. Gemeinde Hl. Geist) wurde. In dieser Funktion leitete er den Konzertchor Cappella Palatina Heidelberg und das Heidelberger Kantatenorchester und unterhielt eine reichhaltige oratorische Konzerttätigkeit.
Von 1980 bis 1990 wirkte er außerdem als Hochschullehrer für Orgelimprovisation und Liturgisches Orgelspiel an der Musikhochschule Karlsruhe. Zudem war er für den Süddeutschen Rundfunk Stuttgart und den Südwestfunk Baden-Baden tätig, redaktionell als freier Mitarbeiter wie auch künstlerisch (z.B. Bodensee-Festival; Einspielung von Monteverdis Marienvesper).
Einladungen zu internationalen Konzertreisen als Organist wie auch als Dirigent führten ihn nach Österreich (u.a. Graz, Wien, Eisenstadt, Klagenfurt, St. Florian, Linz, Salzburg), Spanien (mit Mallorca), Italien (Sizilien, Rom), Ungarn (Budapest), Polen, DDR (Dresden), Schweiz, England, Malta, Israel (Jerusalem) und insbesondere nach Frankreich (u.a. Straßburger Münster, Mont-Saint-Michel, Avignon, Paris, Reims, Sézanne, Saint-Denis). Einen Höhepunkt bildete dabei im Mai 1985 das Dirigat des Gedenkkonzertes anlässlich des 40. Jahrtags der Beendigung des 2. Weltkriegs in der Kathedrale von Chartres (J. S. Bach: Magnificat, J. Haydn: Missa in tempore belli).
1990 übernahm Karl-Ludwig Nies das Amt des Domkapellmeisters am Münchner Dom. Dort sorgte er für eine grundlegende Neuformierung des Domchors, des Domorchesters und der Dombläser und gründete bereits im ersten Jahr seiner Anstellung die CAPELLA CATHEDRALIS MÜNCHEN: ein Ensemble professioneller Sänger, das sich insbesondere der Wiedereinführung und reichen Entfaltung liturgischer Musik der Renaissance-Zeit (Münchner Hofkapelle unter Senfl und Lasso) am authentischen Ort widmete. Zum Aufgabenbereich der Capella Cathedralis zählten auch die alljährlichen Konzerte zum Todestag von Orlando di Lasso, die Nies 1994 anlässlich dessen 400. Todestages einführte. Mit zeitgenössischer Musik befasste sich das Ensemble gleichfalls regelmäßig, was sich nicht zuletzt in zahlreichen Uraufführungen äußerte. Dokumentiert wurde dieses Wirken auch in CD-Produktionen sowie in zahlreichen Rundfunk- und Fernsehsendungen.
1992 erreichte Karl-Ludwig Nies die Gründung der DOMSINGSCHULE MÜNCHEN (Domsingknaben, Mädchenkantorei), die 2009 dann um die 300 Kinder und Jugendliche umfasste. 1999 formierte sich während einer Chorfreizeit der Domsingschule die Junge Domkantorei, ein gemischtes Ensemble junger Frauen und Männer, die vormals Mitglieder der Mädchenkantorei bzw. der Domsingknaben gewesen waren.
Mit der Domsingschule leistete Nies außergewöhnlich erfolgreiche musikalisch-künstlerische Jugendarbeit, die sich auf Musik aller Epochen erstreckte – Gregorianik, Vokalpolyphonie/Lasso, Kantaten, klassische Orchestermessen, Chormusik des 19. und 20. Jahrhunderts.
Über die umfangreichen liturgischen Aufgaben hinaus gestaltete er mit allen Ensembles der Dommusik zahlreiche Konzerte im Dom wie auch andernorts (Schwerpunkte: Renaissance, Bach, Mozart, Joseph und Michael Haydn, Schubert, Bruckner). Die Chöre der Domsingschule wirkten außerdem bei etlichen Opern- und Theateraufführungen mit, dazu bei vielen Dokumentar- und Spielfilmproduktionen (Fernsehen, Kino) sowie Rundfunk- und Fernsehsendungen von ARD, ZDF, BR, SDR, SWF, DLF und ORF („Indiana Jones“, Serie „Die Sängerknaben“, „Weiß-Blau klingt’s am schönsten“, „Schwabenkinder“, Augsburger Puppenkiste u.v.a.m.).
Zuallererst für die kirchenmusikalische Praxis am Münchner Dom und hier ganz besonders für die Bedürfnisse seiner jungen Chöre (der Domsingschule) wirkte Karl-Ludwig Nies auch als Komponist. So entstanden im Lauf der Zeit unzählige Chor- und Orchestersätze, wo immer möglich unter Einbeziehung der singenden Gemeinde, dazu Messen (u.a. „Messe du Carillon“ 1997, „Missa Pax Infantibus“ 2002 zum zehnjährigen Bestehen der Domsingschule) und Vespern. Letztere, stets ausgeführt von Domsingknaben, Mädchenkantorei und Junger Domkantorei gemeinsam samt Bläsern mit Pauken, verbanden in ganz spezieller Weise Gemeindegesang und chorische Mehrstimmigkeit mit dem wertvollen Kulturgut des Gregorianischen Chorals (den Nies an der Kathedrale entgegen nachkonziliarer Verwirrung wieder heimisch machen konnte, auch und gerade mit den Kinderchören). Diese Vespern waren allgemein derart beliebt, dass sie den Dom regelmäßig überfüllten.
Im Jahr 2003 gelang es auf Betreiben von Domkapellmeister Karl-Ludwig Nies hin, die historische Zehnstimmigkeit des Münchner Domgeläuts wiederherzustellen durch drei von ihm disponierte neue Glocken: Cantabona, Speciosa und Michael. Hierzu hatte er erfolgreich eine Spendenaktion insbesondere seitens der Familien der Domsingschule initiiert. Schließlich erstellte er eine umfangreiche und differenzierte Läuteordnung und konzipierte Glockenkonzerte, deren Durchführung ihm persönlich oblag. Zudem verfasste er ein Buch über Geschichte und Gegenwart des Domgeläuts sowie über das Glockenläuten allgemein, das 2004 unter dem Titel „Die Glocken des Münchner Frauendoms“ im Verlag Sankt Michaelsbund erschien und nicht zuletzt in Fachkreisen große Beachtung und Anerkennung fand.
2007 verlieh ihm Bundespräsident Dr. Horst Köhler den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.
Bis zu seiner Demission im Jahre 2009 hatte Karl-Ludwig Nies die Münchner Dommusik zu höchst vielfältiger Blüte gebracht und sie erstmals in ihrer Geschichte zu internationalem Ansehen geführt.
Heute wirkt er freischaffend als Organist, Komponist und Dirigent. 2010 übernahm er die Leitung der von einem Kreis seiner ehemaligen Schüler ins Leben gerufenen FREIEN KANTOREI MÜNCHEN, desweiteren gründete er 2014 die SCHOLA AUGIENSIS MÜNCHEN. Ebenfalls seit 2014 ist er als Organist an der Evang.-Luth. Paul-Gerhardt-Kirche in München tätig.